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Prozessverantwortung erhöht die Prozessqualität, aber wie?

Prozessverantwortung – im Team oder Einzeln?

In einer aktuellen Studie der FH Koblenz wurde meines Wissens zum ersten Mal nachgewiesen, dass Prozessverantwortung tatsächlich etwas nutzt. Die „Beweisführung“ erfolgte über die Frage, wieviel Zeit für die Korrektur von Fehlern nach Prozessgestaltungen gebraucht wurde. Dabei wurde in Prozessen mit Prozessverantwortlichen deutlich weniger Zeit benötigt als in Prozessen  mit anderen Verantwortlichen.

Auch ergab die Studie interessante Ergebnisse zu der Frage aus meinem letzten Blogbeitrag, in welcher Form Prozessverantwortung in den untersuchten Unternehmen geregelt wird. Die Hauptprozessverantwortung liegt demnach bei:

Insgesamt überrascht, dass damit 96% der an der Umfrage beteiligten Firmen klar sagen können, wer im eigenen Haus für Prozesse verantwortlich ist. Das deckt sich nicht unbedingt mit anderen publizierten sowie meinen eigenen  Erfahrungen. Möglicherweise haben an der Studie vor allem Unternehmen teilgenommen, die beim Thema Prozessmanagement bereits einen höheren Reifegrad erreicht haben.

Bemerkenswert finde ich auch, dass immerhin 10% der Teamvariante den Vorzug geben. Zwar stoße ich in der Praxis immer wieder auf Verständnis für die Argumente einer gemeinsamen Verantwortung für einen End-to-end-Prozess. Letztlich verfällt man dann doch der Highlander-Versuchung und macht einen einzelnen Linien- oder Stabsmanager zum Process owner. Das Bedürfnis, einem Einzelnen zu Verantwortung zu ziehen (oder sollte ich sagen, die Schuld geben zu können), ist wohl der jahrzehntelangen Sozialisierung der Einlinienorganisation geschuldet.

Am besten gefallen mir die 18%, die sagen sie regeln die Prozessverantwortung abhängig vom Prozess unterschiedlich. Auch wenn sich die Praxis immer gerne Patentrezepte wünscht, ist ein situativer Ansatz  bei organisatorischen Fragestellungen erfolgsversprechender.

Nicht alle Prozesse eignen sich für Prozessverantwortung. So sollten nur End-to-end-Prozesse in die Hände eines Process owners gelegt werden. Sind denn nicht alle Prozesse vom Kundenwunsch bis zur Kundenwunscherfüllung definiert? Nein, zum Einen finden sich in Prozessmodellen häufig Clusterprozesse wie „Personalprozesse“ oder „Vertriebsprozesse“ wieder. Das sind letztlich aber nur Sammelbezeichnungen für mehrere ihnen zugeordneter Prozesse. Sie sind aber eben nicht eine zusammenhängende Folge von Teilprozessen, die auf die Erfüllung eines konkreten Kundenbedürfnisses hin arbeiten.

Zum anderen sind Prozessmodelle in der Praxis oft nicht wirklich gut. Wie schon in meinem Beitrag „Unternehmensprozessmodelle fehlen an allen Ecken und Enden“ ausgeführt, hapert es vor allem an dem bereichsübergreifenden Verständnis von End-to-end-Prozessen. Aus Rücksicht auf hierarchische Gegebenheiten ähneln viele Unternehmensprozessmodelle eher einem Organigramm, bei dem die Kästchen durch Pfeile augetauscht wurden. End-to-end wird dann mehr in dem Sinne „Anfang Abteilung bis Ende Abteilung“ verstanden. Wenn dann der Abteilungsleiter zum Prozessverantwortlichen seiner Abteilungsprozesse gemacht wird, stellt sich schon die Frage: what’s new?

Im folgenden gehe ich von einem nach End-to-end-Gesichtspunkten gegliederten Unternehmensprozessmodell aus. Was könnten denn die 18% mit „abhängig vom Prozess“ gemeint haben? Leider gibt die Studie hierüber keine weiteren Informationen her. Ich ziehe in diesem Fall gerne meine Prozesstypisierung zur Rate. Worin sich die drei Prozesstypen Routine-, Regel- und Ad-hoc-Prozesse unterscheiden, ist in meinem Blog „ACM, ECM, STP, MfG, ojemine … Es kommt auf den Prozesstyp an“ erläutert.

Tendenziell empfehle ich für Routineprozesse die Verantwortung eher an einzelne Personen zu geben. Bei Ad-hoc- und Regelprozessen präferiere ich dagegen die Teamlösung. Warum? Routineprozesse sind dadurch gekennzeichnet, dass sie gleichbleibend wiederkehrend in großen Mengen ablaufen. Ihr hoher Standardisierungs- und Automatisierungsgrad lässt am Ende nur wenig Spielraum für „menschliche“ Entscheidungen zu. Damit ist der Koordinations- und Steuerungsbedarf eines Routineprozesses in der Regel für einen einzelnen Prozessverantwortlichen machbar.  Auch fachlich kann er in der Lage sein, die notwendigen Entscheidungen einzuschätzen.

Verantwortung je nach Prozesstyp

Ad-hoc-Prozesse leben von dem Wissen und der Erfahrung der Prozessmitarbeiter. Hoch talentierte und qualifizierte Casemanager gestalten situativ die Prozesschritte und den Prozessverlauf. Kein Prozess ist wie der andere, eine Automatisierung ist nicht möglich. Für solche sehr von Menschen geprägte Prozesse ist ein einzelner Prozessverantwortlicher schlichtweg überfordert, fachlich den Überblick zu halten. Hier bieten sich Prozessverantwortungsteams an, die sich aus den Experten der einzelnen Arbeitssschritte zusammen setzen. Solche Prozesssteuerungsteams können dann bei Störungen im Prozessverlauf auf Basis ihrer gemeinsamen Problemdiagnose entsprechende Steuerungsmaßnahmen entscheiden. Wohl gemerkt, das bezieht sich nur auf die letztliche Prozessverantwortung. Auf der operativen Führungsebene kann durchaus ein einzelner Prozessmanager auch für Ad-hoc-Prozesse zuständig sein. Diese Organisation ähnelt der Projektorganisation. Auch dort gibt es mehrköpfige Projektlenkungsausschüsse und einen entscheidungsvorbereitenden Projektleiter. Das verwundert aber nicht, schließlich sind Projekte einmalige Ad-hoc-Prozesse.

Regelprozesse liegen in punkto Häufigkeit, Konstanz, Determiniertheit und Kommunikationsintensität zwischen Routine- und Ad-hoc-Prozessen. Folglich schlägt das Pendel mal mehr zur Einzelverantwortung, mal mehr zur Teamverantwortung aus.

Wer mehr zur Prozessverantwortung wissen will, dem empfehle ich das Seminar „Prozessmanagement einführen und weiterentwickeln“ mit zahlreichen Praxisbeispielen.

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