Neulich auf dem Zollamt

Ja, ja, ich bin schon ein bisschen berufskrank, aber wie kann man da weggucken. Hier mal ein private Prozessstory:

ZolltueteMeine Frau hatte vor den Sommerferien erste Schühchen für unser einjähriges Baby im Internet bestellt. Und da sie schön günstig in Kanada waren, hat sie gleich 8 Paar geordert. Damit sind gleich die ersten zwei Jahre unseres Kleinen sowie Geburtstagsgeschenke für andere Babys aus der Krabbelgruppe abgedeckt. Als ich aus dem Sommerurlaub nach Hause kam (meine Frau hatte clevererweise noch einen Einkehrschwung bei ihren Eltern gemacht), lag eine Aufforderung des Zollamtes im Briefkasten, die Schuhe bis zum Folgetag beim Zollamt abzuholen, ansonsten würden sie gebührenpflichtig zum Absender zurückgeschickt. Bei der weiteren Durchsicht der Post entdeckte ich dann eine erste Aufforderung, das Päckchen abzuholen, die wohl schon in unserer ersten Urlaubswoche gekommen war. Dabei war noch eine schief kopierter Zettel, auf dem angekreuzt war, dass ich Unterlagen mitbringen sollte, aus denen hervorgeht, zu welchen Preisen wir wo die Waren bestellt haben.Da ich nirgendwo Öffnungszeiten oder Anfahrtsbeschreibungen zum Zollamt im Internet finden konnte, verließ ich mich auf mein Navi und beschloß um 11 Uhr dort zu sein. Um 15 Uhr hatte ich einen Kundentermin, der normalerweise sicher in 2 Stunden zu erreichen ist. Also würde ausreichend Zeit sein, noch etwas in der Stadt zu Mittag zu essen und dann zum Kunden aufzubrechen.

Die erste halbe Stunde habe ich selbstverschuldet durch Suchen des Zollamtes verbracht. Denn blöderweise gab es in der Stadt drei Bahnhofsstrassen in drei verschiedenen Ortsteilen. Bei meinem ersten Anlauf landete ich „in the middle of nowhere“, erst beim zweiten Stadtteil lag ich richtig.

Die Räumlichkeiten des Zollamtes machten mich von Beginn an skeptisch. Die ganze Einrichtung war älter als alt. Alle Vorurteile, die ich über Behörden eigentlich schon längst abgelegt hatte, waren mit einem Schlag wieder präsent. Schreibmaschinen, Durchschläge, Stempel und Aktenstapel, so weit das Auge sieht.  In einem länglichen Raum gab es einen alten Holzregaltresen. Im rechten Winkel zum Tresen saßen drei Mitarbeiter, einer der die ganze Zeit handschriftlich Formulare ausfüllte, eine andere, die mit ihrem PC sprach und der Dritte schien derjenige an der Kundenschnittstelle zu sein. Denn er stand ab und zu auf, ging in den Nebenraum, kam mit einem Paket oder Formular wieder und tat irgendetwas. Nur nicht zu mir rübergucken. Erst nach gefühlten 10 Minuten wandte er sich zu mir. Die nonverbale Kommunikation klappte prima, sein Blick sagte mir, ich solle ihm meine Papiere geben, so war es auch, er nahm sie und verschwand im Nebenraum.

Zurück kam er mit einem silbernen Päckchen und einem Messer, welches er mir beides hinlegte. Auch hier brauchte es keine Worte. Ich öffnete das Paket mit dem Messer und präsentierte erleichtert die Schühchen, denn mittlerweile fing ich schon an zu glauben, ich würde des Drogenschmuggelns beschuldigt. Gut, alles klar, mittlerweile war es 12, mein Hunger setzte ein, ich hatte die Schühchen „Vielen Dank und Tschüss“.

Jetzt fühlte sich der Zollbeamte doch genötigt etwas zu sagen. „Moment, Sie müssen noch Mehrwertsteuer bezahlen“. Zugegeben, internationale Handelsabkommen sind nicht mein Spezialgebiet. Ich hatte mich die ganze Zeit schon gewundert, warum wir dieses Päckchen beim Zollamt abholen müssen. Und nicht wie all die anderen Amazon- und Ebay-Käufe, die DHL oder wer auch immer bei unserem Nachbarn abgibt, wenn wir nicht da sind.

Also ließ ich mich gar nicht erst auf eine aussichtslose Diskussion ein, ob ich das nun wirklich zahlen muss oder nicht, sondern zückte nur meine Geldbörse und fragte „Wieviel?“ Aber so einfach ging da nicht. Der Zöllner nahm das Päckchen, meine mitgebrachte Bestellung (ah! Dafür) und setzte sich an seinen Rechner. Dann konnte ich nur beobachten, wie er die Schühchenpaare zählte, mit dem linken Zeigefinger auf dem Bestellformular Zahlen fixierte, die er mit dem rechten Zeigefinger in den PC eingab.

Meine zwischenzeitliche Versuche „Sagen Sie einfach was sie bekommen, Passt schon“ prallten an ihm ab. Aber das war  mir eigentlich längst klar, schließlich braucht er das Ganze korrekt und schriftlich, also wartete ich geduldig zwanzig Minuten, bis er zum Drucker ging.  Und dann der nächste Klassiker: Die Seiten kommen nicht aus dem Drucker, er rüttelt an allen Kabeln, macht den Drucker an und aus, flucht, meckert über die EDV bevor er die dann schließlich anruft. Daraufhin kommt sehr schnell ein junger Typ, macht eigentlich das gleiche, aber jetzt kommt der Ausdruck heraus. „Vorführeffekt“, ist das Einzige was beiden dazu einfällt.

Jetzt aber! Demonstrativ ziehe ich einen ersten 10 Euro Schein aus meiner Geldbörse und lege ihn auf den Tresen (Ein Betrag zwischen 10 und 20 Euro scheint mir für die ganze Arbeit ein angemessener Lohn). Ich weiß zwar nicht, welche zahlreichen Prozesse noch durch dieses Zollamt laufen, die am Ende mit einem Zahlvorgang enden. Ehrlich gesagt, will ich es auch nicht genau wissen, der Gedanke daran graut mir. Allerdings scheint die Komplexität der Prozesse ein arbeitsteiliges Vorgehen zu rechtfertigen, so dass eine zentralisierte Kasse notwendig ist. Das heißt, beim Zollbeamten kann ich nicht zahlen, er schickt mich zu einer zentralen Kasse, die aber gerade nicht besetzt ist (ist ja auch Mittagszeit).

Allerdings hat man wohl auf die Auslastungsprobleme an der Kasse beim Zollamt bereits reagiert und das Springer-Konzept gewählt. Denn nach kurzer Zeit kommt der junge Typ, der eben noch den Drucker liebevoll zum Laufen gebracht hat, und schließt den Kassenraum auf. „Elf Euro dreiundsechzig“, ich habs Gottseidank klein. Ich sag mir, jetzt besser nicht über Prozesskosten und Steuergelder nachdenken, bekomm noch eine handschriftlich ausgefüllte und gestempelte Quittung auf DINa4, schon bin ich draußen. Ok, das Mittagessen fiel aus, ich wollte ja noch pünktlich zum Kunden kommen.