BPM CBOK 3.0 als Wegbereiter zum CBPP und Prozessmanagement Reifegradmodell

In diesen Tagen wird die deutsche Version  BPM CBOK® 3.0 (Guide to the Business Process Management Common Body of Knowledge) ausgeliefert. Die amerikanische Version des BPM CBOK® 3.0 der ABPMP ist bereits seit September 2013 auf dem Markt.  10 Autoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz haben in den vergangenen Monaten die Originalversion übersetzt und an den Erfordernissen des deutschsprachigen Marktes angepasst. Mir kam dabei die Rolle zu, das 542 Seiten starke Gesamtwerk fachlich zu beraten. Bei der Fülle guter Bücher zum Thema Prozessmanagement stellt sich die Frage, welchen Mehrwert ein weiteres Standardwerk leisten kann. Drei wesentliche Nutzenaspekte sehe ich im neuen BPM CBOK® 3.0:

1. Einheitliche Definitionen im Prozessmanagement

Wie in jeder Disziplin hat sich in den letzten Jahrzehnten eine eigene Fachsprache im Prozessmanagement entwickelt. Geprägt werden die heute relevanten Definitionen im Business Process Management durch Standardwerke in der Organisationslehre sowie durch in der Praxis entstandene Managementliteratur. Es liegt in der Natur der Sache, das wenn verschiedene Autoren Aspekte des Prozessmanagements beschreiben, unterschiedliche Begriffe für ähnliche oder gleiche Sachverhalte entstehen. Das beginnt mit der Prozessdefinition, geht weiter mit verschiedenen Ansätzen, wie man beim Managen von Prozessen vorgeht (Lean, Six Sigma, KVP),  führt zu einer Inflation von Rollen und Stellen im Prozessmanagement und endet mit einem Werkzeugkasten hunderter unterschiedlich bezeichneter Techniken. Die ABPMP und EABPM haben sich zum Ziel gesetzt, ein gemeinsames Verständnis von BPM zu fördern und eine gemeinsame Sprache im Prozessmanagement zu entwickeln. Das gelingt ihnen mit dem neuen Body of Knowledge in dreierlei Hinsicht.

BPM CBOK-Struktur
BPM CBOK-Struktur

Zunächst überzeugt die BPM CBOK-Struktur  mit ihren neun Wissensgebieten Business Process Management, Unternehmensprozessmanagement, Prozessorganisation, Prozessmodellierung, Prozessanalyse, Prozessdesign, Prozessleistungsmessung, Prozesstransformation und BPM-Technologien. Dieser Framework stellt einen geeigneten Orientierungsrahmen dar, um ähnlich dem ibo-Prozessfenster® alle wesentlichen Themengebiete im Prozessmanagement zu gruppieren. Es fehlt mir lediglich ein eigenes Wissensgebiets rund um die kulturellen Aspekte des Prozessmanagements. Immerhin werden aber wichtige Facetten des Change Management teilweise im Wissensgebiet Prozesstransformation abgehandelt. Diese im deutschsprachigem Raum eher unübliche Bezeichnung wurde aus dem amerikanischen übernommen, um zumindest beim Modell die Nähe zum Original beizubehalten.

Weiterhin förderlich für das gemeinsame Verständnis von Prozessmanagement sind die jeweils am Ende eines Wissensgebietes zusammengefassten Kernausagen. Sie  verdeutlichen noch einmal besonders den Hauptzweck des Leitfadens. Der BPM CBOK® soll einen Überblick üblicher Aufgaben, Vorgehensweisen, Techniken und Rollen sowie der Erfolgsfaktoren je Wissensgebiet geben. Diesem Leitfaden-Gedanken werden die eher überblicksartig geschriebenen Kapiteltexte mit ihren abschließenden Kernaussagen gerecht. Anders als in andere BPM Standardwerken wie zum Beispiel “Geschäftsprozessmanagement in der Praxis” von Schmelzer/Sesselmann oder mein “Praxishandbuch Prozessmanagement” verzichtet der BPM CBOK® darauf,  Techniken wie zum Beispiel in der Prozessmodellierung oder Prozessanalyse genauer zu beschreiben. Deshalb gibt es am Ende jedes Wissensgebietes Hinweise zu vertiefender Prozessmanagement-Literatur.

Drittens schließlich hilft das fast 200 Definitionen umfassende Glossar eine gemeinsame Sprache im Prozessmanagement zu entwickeln. Sicherlich ist es noch ein weiter Weg bis zu standardisierten Begriffen für Vorgehensweisen, Rollen und Techniken im Prozessmanagement. Und die Erfahrungen aus anderen ähnlichen Bestrebungen zum Beispiel im Projektmanagement mit der ICB oder dem PMBOK® lassen vermuten, das es am Ende wahrscheinlich nie das eine BPM-Vokabular geben wird.  Auch hier ist es wichtig zu wissen, das es dem BPM CBOK® nicht um richtig oder falsche Definitionen geht, sondern vielmehr um die Sinngebung hinter den Begriffen. Denn Bezeichnungen sind häufig bestimmten Moden und dem Zeitgeist unterworfen. Durch die jeweils neuen Versionen greift der Leitfaden aktuell in der Praxis gebräuchliche Prozessmanagement-Begriffe auf und ordnet sie immer wieder in den größeren Kontext des BPM-Frameworks ein.

2. Grundlage für die Zertifizierung zum Certified Business Process Professional (CBPP)

In Stellenanzeigen findet man eine Vielzahl ausgeschriebener Jobs mit denen Unternehmen Spezialisten im Prozessmanagement suchen. Dies können zum einen Experten in zentralen Prozessmanagement-Abteilungen sein. Hier findet man unter anderem Stellenbezeichnungen wie Prozessmanagement-Berater, Prozessorganisator, Prozessmodellierer oder  Prozessanalyst. Zum anderen werden häufig Mitarbeiter und Führungskräfte aus Fachbereichen zusätzlich in Projekten zur Prozessoptimierung oder in Teams zur kontinuierlichen Prozessverbesserung eingesetzt. Hierfür haben sich Rollenbezeichnungen wie Prozessmanager, Prozessverantwortlicher oder Process Owner  etabliert. Bisher hat sich weder eine eindeutige Berufsbezeichnung noch ein gemeinsames Verständnis über die fachlichen Anforderungen eines Experten in Prozessmanagement etabliert. Alleine die ABPMP hat in Amerika über 150 unterschiedliche Titel für die BPM-Spezialisten registriert.

Mit dem CBPP® (Certified Business Process Professional) existiert seit sieben Jahren ein international anerkanntes Zertifikat für BPM-Experten. Um den Titel zu erlangen, muss man sowohl über berufliche BPM-Praxis verfügen als auch einen schriftlichen Test erfolgreich bestehen. Dem BPM CBOK® kommt hier eine zentrale Bedeutung als global gültige Wissensgrundlage für den CBPP® zu. Dies gilt zum einen für den dreistündigen Multiple-Choice-Test, in dem die Prüflinge 120  Fragen zu den neun Wissensgebieten des BPM CBOK® beantworten. Zum anderen müssen Bewerber für das Zertifikat insgesamt vier Jahre (bzw. 5.000 Stunden Berufserfahrung) nachweisen, in denen sie Tätigkeiten
nachgegangen sind, die mit dem Business Process Management, Unternehmensprozessmanagement, Prozessorganisation, Prozessmodellierung, Prozessanalyse, Prozessdesign, Prozessleistungsmessung, Prozesstransformation und BPM-Technologien zu tun hatten.

Wird sich durch die neue Version des BPM CBOK® etwas bei der Zertifizierung zum CBPP® ändern? Ja und Nein. Nein, weil sich der BPM CBOK® grundsätzlich nur als Leitfaden für die Prüfungsfragen und Berufspraxis sieht. Und da die BPM CBOK® Struktur von Version 2.0 auf 3.0 gleich geblieben ist, bleibt es bei den bisherigen neun zertifikatsrelevanten Wissensgebieten. Ja, weil mit dem neuen BPM CBOK 3.0 eine insgesamt konsistentere Wissensgrundlage als bisher vorliegt. Das wird es meiner Meinung nach gerade in Richtung schriftlicher Prüfung einfacher machen, sich gut anhand des BPM CBOK® auf die Multiple-Choice-Fragen vorzubereiten. Bei der letzten Originalversion waren eine Reihe Definitionen, Rollen und Techniken redundant und inkonsistent. Und da die deutschsprachige 2.0-Version originalgetreu übersetzt wurde, führte der alte CBOK ab und an zu Irritationen in der Prüfungsvorbereitung. Aber das wird ja nun mit der neuen Version anders …

3. Prozessmanagement Reifegradmodell

Gegenüberstellung Reifegradmodelle im Prozessmanagement
Gegenüberstellung Reifegradmodelle im Prozessmanagement

Einen dritten möglichen Nutzen des BPM CBOK® 3.0 sehe ich darin, auf Basis der BPM CBOK-Struktur ein  BPM-Reifegradmodell zu entwickeln. Mit Hilfe eines Maturity-Modells können Unternehmen den Status-Quo ihres Prozessmanagementsystems einschätzen. Zwar gibt es schon eine Reihe solcher Reifegradmodelle, wie die nebenstehende Abbildung zeigt. Allen bisherigen Modellen ist es bisher aber nicht gelungen einen international gültigen Standard zu prägen. Das sich die im deutschsprachigen Markt entstandenen Modelle nicht weltweit ausdehnen, liegt nicht nur an der Sprachbarriere sondern auch an der fehlenden kritischen Masse der deutschsprachigen Länder, globale Standards zu prägen. Deshalb haben es in anderen Disziplinen bisher meist nur amerikanische Standards oder zumindest europäische Normen geschafft, weltweit anerkannt zu werden.

Da die bisherigen amerikanischen BPM-Reifegradmodelle entweder nicht genau auf das Thema Prozessmanagement (zum Beispiel CMMI) ausgerichtet sind, oder eher anbieterorientiert sind (siehe PEMM) oder nicht weiter entwickelt wurden (BPMM), bietet es sich meiner Meinung nach an, auf Basis des BPM CBOK® 3.0 eine neue Initiative zu starten, ein weltweit anerkannten BPM-Maturitymodell zu entwickeln. Mit der ABPMP und EABPM haben sich zwei global agierende, neutrale Berufsverbände etabliert, die ihre Position dazu nutzen sollten, auch einen Standard zu prägen, um den Status-Quo von Unternehmen im Prozessmanagement festzustellen. Und mit der bisher kontinuierlichen Weiterentwicklung des BPM CBOK® wächst auch das Vertrauen, dass die Gesellschaften in Zukunft eine jeweils aktuelle, praxisorientierte und konsistente Wissensgrundlage im Prozessmanagement für Zertifizierungen und Reifegradbestimmungen vorlegen werden.