Am Montag dieser Woche war ich auf dem 5. PSD in Frankfurt-Mörfelden. Ich war bis jetzt jedes mal dabei, ich kann mich also nicht davon frei machen, zu vergleichen. Im Vergleich zu den vorherigen Veranstaltungen fällt mein Fazit nicht durchweg positiv aus. Da ich mehrere “Hüte” aufhabe, möchte ich meine Eindrücke aus der jeweils unterschiedlichen Betroffenheit schildern:
- als gfo-Beirat und damit als Veranstalter
- als ibo-Gesellschafter und damit als Aussteller
- als Prozessmanagement-Experte, also thematisch Interessierter
Aus Veranstaltersicht kann ich natürlich zufrieden sein. Es waren über 200 Teilnehmer vor Ort, 21 Aussteller haben sich präsentiert, der Ablauf des Tages lief routiniert professionell ab. Für Anwender, die aktuell Tools rund um das Thema Prozessmanagement evaluieren, war der Process Solution Day eine ideale Veranstaltung. In komprimierten 30-Minuten-Präsentationen konnten sich die Teilnehmer einen Überblick über die Leistungsmerkmale der jeweiligen BPM-Software machen. Die Infostände der Hersteller ermöglichten einen vertiefenden Einblick in die Stärken und Schwächen der Lösungen. Die abschließende Verleihung des Process Solution Award gab noch einmal einen guten Überblick über drei Prozessmanagement-Projekte. Hier konnte aufgezeigt werden, wie durch die Integration von innovativen BPM-Methoden und -Technologien nachweisbarer Nutzen in den Unternehmen generiert wurde (mehr zum Award im Blog kurze-prozesse von Prof. Allweyer). Für die gfo ist jedenfalls klar, auch im nächsten Jahr wird es wieder einen PSD geben, auf Ausstellerseite gibt es bereits eine Warteliste von 8 Anbietern.
Als Anbieter fällt mein Fazit weniger positiv aus. Ja, es waren gefühlt sehr viele Teilnehmer vor Ort. Geht man die Teilnehmerliste kritisch durch, blieben am Ende nicht viele potenzielle Käufer für eine BPM-Software übrig. Hier ist unsere Erwartung für den nächsten PSD, deutlich mehr Entscheider für die Veranstaltung zu gewinnen. Mag sein, dass es dieses Jahr an den Folgen der Wirtschaftskrise gelegen hat, dass nicht ganz so viele ernsthaft Interessierte den Weg zum PSD gewählt haben. Ich hoffe nicht, dass der Grund darin liegt, dass der Aufwind aus den letzten Jahren, den die davor jahrelang in der Modellierung verhafteten Branche durch “Round Trip” und “BPMN ” erfahren hat, schon wieder abflaut. Bisher scheint mir gerade das Thema BPMN eher bei den BPM-Experten als bei den Praktiker ein Thema zu sein (siehe hierzu auch meinen Post zum Thema “erste Widerstände bei BPMN“). Und auch beim Round Trip sind die wirklichen Anwendungsfälle noch rar. In den von mir besuchten Vorträgen hat übrigens eindeutig dieses Jahr der Einkaufsprozess als Beispielprozess gewonnen. Vielleicht ist es ja auch ein Zeichen für die Wirtschaftskrise, dass nicht mehr wie in den letzten Jahren der Urlaubsantrag als Showcase herhalten musste, um überzeugend zu zeigen, wie einfach es ist, einen modellierten Prozesse auszuführen und zu monitoren.
Apropros “einfach”, und da komme ich jetzt zu meiner Sicht als am Thema Prozessmanagement Interessierter. Ja, als Anwender schätze ich es sehr, wenn eine Software einfach zu bedienen ist. Und in der Tat sind die gezeigten Anwendungen benutzerfreundlicher als früher. Aber ehrlich gesagt wurde mir ein wenig zu häufig das Wort “einfach” benutzt. Prozesse sind in der Regel nicht einfach sondern komplex. BPMN oder andere proprietäre Notationen wie EPK oder Folgplan sind dazu da, einzelne Prozesse genau zu modellieren. Und dann meine ich, ist es Augenwischerei, ständig zu suggerieren, alles ist ganz einfach. Dann gibt es nachher das böse Erwachen bei der praktischen Arbeit.
Wenn es etwas in Richtung “einfach” bedarf, dann ist es eine Standard-Notation für grobe Prozessbeschreibungen und Prozesslandkarten. Hier hat doch jeder Hersteller seine eigenen Pfeil-Bildchen, die mir aber nicht sehr durchdacht scheinen. Und BPMN 2.0 hat meiner Meinung nach hierzu auch noch keine zufriedenstellende Lösung parat. Ich habe bereits an anderer Stelle deutlich gemacht, wie wichtig mir der strukturierte Überbau einzelner Prozesse ist (Prozessmodelle fehlen an allen Ecken und Enden). Wenn es die Toolanbieter schaffen, Prozessdarstellungen im Top-Management zu etablieren, die leicht verständlich und gleichzeitig angemessen formal korrekt sind, dann würde dies dem Thema BPM einen großen Akzeptanzschub geben.
Aber auch in Richtung Prozessanalyse und -simulation hatte ich mir mehr konkrete Lösungen von den Anbietern auf dem PSD versprochen. Für mich ist noch völlig offen, wie die Berechnungen von Durchlaufzeiten, Prozesskosten und Kennzahlen zur Prozessqualität bei BPMN 2.0 erfolgen sollen. Aber das Thema ist mindestens einen eigenen Post wert. Vielleicht gab es hier ja auch in den anderen Tracks Beispiele, die mir entgangen sind, weil ich hauptsächlich im Modellierungstrack war.
Und das führt mich zu meinem letzten Eindruck vom 5. PSD. Ich glaube, die Dreiteilung in Prozessmodellierung, SOA/Integration und Human Workflow/Portale hat sich überlebt. Die meisten Anbieter decken entweder selber oder in Kooperation mit anderen alle drei Themen ab. So präsentierten dann häufig die Tool-Hersteller ihr gesamtes Leistungsspekturm, egal in welchem Track sie sich gerade befanden. Aber damit wurden es oft immer die gleichen Round Trip-Sucsessstories, und das ist auf Dauer langweilig. Ich könnte mir vorstellen, dass man im nächsten Jahr Tracks wie Modellierung, Analyse, Ausführung und Monitoring macht. Und dann sollten sich die Hersteller mit ihren 30-minütigen Vorträgen auf einzelne konkrete Problemstelllungen aus diesen Themengebieten konzentrieren, die sie mit ihrem Tool besonders gut gelöst haben. Ein gutes Beispiel in diese Richtung war in diesem Jahr für mich bereits der Vortrag von Vitria zum Thema “Operational Intelligence”.
Ach doch noch eins, ich bin ja immer auf der Suche nach dem BPM-Unwort des Jahres. Gerade Konferenzen sind hier normalerweise ein guter Fundort für Wortverunstaltungen. Aber bis auf das Wort “Soasaurus” hat sich in den von mir besuchten Vorträgen kein Ausdruck aufgedrängt. Aber da warte ich noch mal ab, wie oft mir dieses Unwort sonst noch so begegnet.