Der Prozessmanagement-Berater: Ein moderner Fünfkämpfer?

Moderner Fünfkampf
Moderner Fünfkampf

Nach der Sommer- und Babypause – jetzt sind wir zu sechst zuhause und können bereits komplexere Prozesse simulieren – melde ich mich zurück. In diesem Jahr war ich auf unserer Roadshow durch Deutschland unterwegs mit dem Vortrag „Prozessmanagement – Moderner Fünfkampf in den Unternehmen“. Für diejenigen, die mich leider nicht „live“ erleben konnten, hier eine kurze Zusammenfassung.

Im Kern meines Vortrages geht es mir um die Rolle des Spezialisten im Prozessmanagement. Dieser hat in der Praxis vielfältige Namen: Prozessorganisator, CBPP® (Certified Business Process Professional®), Prozessmanagement-Coach, Prozessmanager oder Prozessmanagement-Consultant. Ich bevorzuge für diesen Job den Begriff Prozessmanagement-Berater.

Was hat Prozessmanagement mit modernem Fünfkampf zu tun? Nun, sei es Zufall oder nicht, ich sehe fünf Tätigkeitsgebiete für den Prozessmanagement-Berater, die jede für sich bereits eine anspruchsvolle Herausforderung sind.

  1. Prozesse identifizieren, visualisieren und zu Landkarten verdichten
  2. Prozesse zahlenbasiert gestalten und steuern
  3. Prozessorganisation regeln
  4. Prozessveränderungen professionell begleiten
  5. Prozesse und IT aufeinander abstimmen.

Kombiniert man diese 5 Fähigkeiten in einer Person, ergibt sich insgesamt ein höchst anspruchsvoller und vielseitiger Job. Ähnlich beim Modernen Fünfkampf: Hier muss der Athlet in einem Wettbewerb Schwimmen, Pistolenschießen, Fechten, Springreiten und Querfeldeinlaufen. Fünf verschiedene Sportarten, die unterschiedlichste Anforderungen an die Ausdauer, Geschwindigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Einfühlsamkeit des Sportlers stellen.

Pierre de Coubertin, der Initiator der olympischen Spiele der Neuzeit, hat den modernen Fünfkampf entwickelt, um den idealen Athleten zu schaffen. Es stellt sich für den Prozessmanagement-Berater die Frage, ob er dem Anspruch eines solchen Multitalents in der Berufspraxis gerecht werden kann. Ich meine, dass dies nur auf einem grundlegendem Niveau verlangt werden kann und sollte. So sind organisatorische, analytische, kommunikative und technische Basis-Kenntnisse für den Job eines Prozessmanagement-Beraters heutzutage Voraussetzung.

Inwieweit aber jeweils auch Spezialwissen und vertiefende Kompetenzen von den Prozessorganisatoren zu den fünf Handlungsfeldern erwartet werden kann,  ist fraglich. Sicherlich sollten die prozess- und aufbauorganisatorischen Kompetenzen beim Prozessmanagement-Berater ausgeprägt sein. Aber schon bei der Anforderung, Prozesse zahlenbasiert zu gestalten und zu steuern, stoßen mitunter die Fähigkeiten und Neigungen von Prozessorganisatoren an Grenzen. Statistik ist nun mal nicht jedermanns Sache. Da ist es dann häufig sinnvoller, für besonders tiefgreifende Prozessanalysen einen Prozesscontroller oder Green beziehungsweise Black Belt hinzu zu ziehen.

Prozessmanagement-Berater haben in ihrem Job immer mit Menschen zu tun. Wenn man bei der Prozessgestaltung Aufgabenpakete verändert, Prozessschritte technisch unterstützt oder ganze Prozesslandkarten restrukturiert, greift man unweigerlich in die Bedürfnisslage eines jeden Mitarbeiters ein. Deshalb ist bei diesem Prozessmanagement-Job soziale Kompetenz eine wesentliche Anforderung. Aber auch hier kann und sollte jeder Prozessmanagement-Berater seine eigenen Möglichkeiten richtig einschätzen. Beschäftigt man sich mit den Ursachen für Widerstände gegen Prozessveränderungen, merkt man schnell,  dass Konflikte, Vorbehalte oder Ängste tief in den Verhaltensweisen, Einstellungen und Werten jedes Individuums verwurzelt sind. Einzelne Führungskräfte zu coachen, Teamentwicklungen voranzutreiben oder gar Veränderungen der Unternehmenskultur zu begleiten sollte der Prozessmanagement-Berater Profis wie Change Manager, Organisationsentwickler oder Prozessberater (bei dem Jobtitel steht Prozess für Veränderungsprozess und nicht Geschäftsprozess) überlassen.

Ja, und wie sieht es mit den IT-Kenntnissen des Prozessmanagement-Beraters aus? Selbstverständlich ist eine IT-Affinität beim CBPP® zu  erwarten. Er muß die Möglichkeiten aktueller und zukünftiger IT-Lösungen  einschätzen können, er sollte bei der Konzeption von Human Workflow Managementsystemen mitwirken können und Prozessautomatisierungen begleiten können. Aber auch hier gilt, der organisatorischen Prozessgestaltung und -steuerung ist nicht geholfen, wenn der Prozessmanagement-Berater so tief in den technischen Anforderungen steckt, dass er den Gesamtüberblick verliert. Speziell für Requirements Engineering und Konzeption von IT-Lösungen braucht es Business-Analysten, die sich intensiv um die Kommunikation zwischen Fachbereich und IT kümmern.

Fazit: Letztlich kann ich die eingangs gestellt Frage mit “ja” beantworten. Der Job des Prozessmanagement-Beraters zeichnet sich durch ein ausgewogenes Profil prozessualer, organisatorisch, analytischer, verhaltensorientierter und technischer Kompetenzen aus. Sind vertiefende Kenntnisse und Erfahrung in den jeweiligen Disziplinen bei einer Prozesslösung gefragt, ist der Spezialist die bessere Wahl. So wie beim Fünfkampf; Ein Goldmedaillien-Gewinner im Mehrkampf hätte sicherlich bei keiner der fünf Einzelwettkämpfe eine Chance!

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