
Wer im Prozessmanagement einen Job anfängt, beginnt in der Regel damit, Tage und Wochen lang Prozesse zu modellieren. Das gilt für interne Prozessmanagement-Berater genauso wie für Juniorberater in externen Consultingfirmen. Die Fähigkeit, Prozesse gut abbilden zu können ist die Basisanforderung an jeden Prozessmanagement-Job. Ohne modellierte Prozesse sind alle weiteren Prozessmanagementaufgaben wie Prozessanalyse, Prozessdesign oder kontinuierliche Prozessoptimierung nicht möglich.
Und für Nicht-Prozessmanagement-Experten aus den Fachbereichen bleibt die Prozessmodellierung häufig die einzige Prozessmanagementfunktion, die sie ausüben oder überhaupt kennen lernen. So zeichnen Prozessmanager mit ihren Prozessteams in der Fertigung oder Administration Wertstromdiagramme, um Verschwendungen aufzuspüren. Da dokumentieren Revisoren und Compliance-Beauftragte Risikokontrollen in Prozessskizzen. Oder Marketingkollegen visualisieren mit swimlanes ihre Kampagnenabläufe.
Nimmt man alle diese Aktivitäten zusammen, ist es sicher nicht sehr mutig zu behaupten, dass Prozessmodellierung den Löwenanteil in der Prozessarbeit darstellt. Aber kann man da überhaupt immer von Prozessmodellierung reden? Immer wieder höre ich abfällige Bemerkungen nach dem Motto, „die malen ja nur Abläufe.“
Im Glossar des CBOK wird Prozessmodellierung als „Entwurf vereinfachter Abbilder von realen Abläufen“ definiert. „Vereinfacht heißt in diesem Zusammenhang meistens, dass ein bestimmter Detaillierungsgrad gewählt und nicht alles zum Prozess Gehörige abgebildet wird sondern nur solche Sachverhalte berücksichtigt werden, die für jeweilige Zwecksetzung relevant sind (Sichten auf den Prozess).“ Demnach kann man also schon grundsätzlich von Prozessmodellierung sprechen, egal wie detailliert oder umfassend Prozesse dargestellt werden (die Begriffe Prozessdokumentation, Prozessvisualisierung, Prozessbeschreibung und Prozessdarstellung verstehe ich übrigens analog Prozessmodellierung). Klar ist aber auch, dass sich die noch zu spezifizierenden Zwecksetzungen im Prozessmanagement auf das Aufgaben- und Anforderungsprofil des Prozessmodellierers auswirken.
Beschäftigen wir uns nun mit dem Job des Prozessmodellierers, wer ist das und was muss er tun? Vom grundsätzlichen Verständnis her ist für mich der Prozessmodellierer eine Rolle. Das heißt, prinzipiell kann die Rolle jeder Mitarbeiter im Unternehmen befristet während eines Projektes oder dauerhaft zusätzlich zu seinem eigentlichen Job ausführen. Häufig nehmen Prozessmanagement-Spezialisten wie Prozessmanagement-Berater, Prozessorganisatoren oder Prozessmanager die Rolle des Prozessmodellierers ein. Da wie oben aufgeführt Prozessmodellierung in vielen Häusern einen hohen zeitlichen Aufwand verursacht, findet man vielfach auch explizit Stellen als Prozessmodellierer. Solche Fulltime-Jobs sind in der Regel mit der Beherrschung eines Prozessmodellierungstool (z.B. Prometheus-Prozessmodellierer) verbunden.
Ich sehe grundsätzlich drei Typen von Prozessmodellierern: Maler, Moderatoren und Programmierer. Wie immer bei solchen schwarz-weiß- Klassifizierungen gibt es natürlich jede Menge Grauschattierungen dazwischen.
1. Prozessmodellierer als „Maler“
Im Fokus dieses Modellierertyps steht es, adressatengerechte, verständliche, leserliche, aktuelle und leicht zugängliche Arbeitsanweisungen zu erstellen. Neue und langjährige Mitarbeiter, Sachbearbeiter und Manager, Arbeiter, Stabskräfte und Außendienstkollegen, für alle ist es wichtig, schnell mal nachschauen zu können, welche Aufgaben wie und in welcher Reihenfolge in Prozessen erledigt werden. Vielfach sind Arbeitsanweisungen in der Praxis wenig attraktiv. Deshalb ziehe ich hier die Analogie zum Maler. Es ist wichtig, dass das Prozessbild dem Leser gefällt und für seine Zwecke geeignet ist. Der gute Prozessmodellierer versetzt sich in die Lage des Modellnutzers und befreit die Prozessbeschreibung von unnötigem Ballast. Deshalb beschränkt er sich in der Regel auf die Modellierung der Prozess- und Organisationssicht: Wer tut was in einem Prozess. Allenfalls für den jeweiligen Nutzen relvante Hilfsmittel, Dokumente oder Zusatzinfos (z.B. Risikokontrollen für den Revisor) werden zusätzlich visualisiert. Wer mehr zur adressatengerechten Prozessmodellierung erfahren will, dem empfehle ich das nächste ibo-Trendforum “Prozessdokumentation – Pflicht oder Kür“ am 15.März 2011 in Wettenberg.
2. Prozessmodellierer als „Moderator“
Der Prozessmodellierer als „Moderator“ muss sicherlich auch Prozesse im vorherigen Sinne „attraktiv“ darstellen können. Noch wesentlichere Aufgaben scheinen mir bei diesem Typ aber darin zu liegen, die Prozessaufnahme mit den Betroffenen vorzunehmen und weitreichendere Informationen über den Prozess zu generieren. Natürlich kann man Prozesse erheben, in dem man mit allen Beteiligten Interviews führt und dann im „stillen Kämmerlein“ die Gesprächsergebnisse in einem Prozessmodell verdichtet und ggf. nochmals abstimmt. Für mich ist aber ein Workshop mit allen Repräsentanten aus dem Prozess die effektivste Form der Prozessaufnahme. Damit kommt auf den Prozessmodellierer die hohe Kunst der Moderation zu. Und da der Anlass der hier angesprochenen Prozessmodellierungen meist ein Reorganisationsvorhaben, Six Sigma Projekt oder Lean Workshop ist, werden solche Prozesserhebungen gleich mit genutzt, um optimierungsrelevante Informationen wie Zeiten, Mengen, genutzte Sachmittel, Räume, Mitarbeiterqualifikationen, Stärken, Schwachstellen, etc. zu ermitteln. Dann geht das Aufgabenprofil des Prozessmodellierers in das des Prozessanalysten über. Und wird er im späteren Projektverlauf wieder gefragt, Soll-Prozesse zu visualisieren, verschwimmen gar die Grenzen zum Prozessdesigner.
3. Prozessmodellierer als “Programmierer”
An Softwareentwickler denken bisher bestimmt die wenigstens, wenn sie Prozessmodellierer hören. Solange Prozessmodelle noch in Notationen wie Folgeplan, Prozessketten oder SIPOC erstellt werden, ist dies auch nur allzu verständlich. Zunehmend mehr Prozessexperten modellieren Prozesse als Business Process Diagram (BPD), der Standarddarstellung der Business Process Model and Notation (BPMN). In diesem Januar wurde die Version BPMN 2.0 offiziell von der OMG veröffentlicht. Damit ist der Weg nun (zumindest theoretisch) frei, dass in BPMN modellierte Prozesse unmittelbar ausgeführt werden können. Der Traum vom Roundtrip wird Wirklichkeit! Inwieweit das Programmieren mittels grafischer Prozessdarstellung tatsächlich in der Praxis ankommt, wird von vielen Prozessmanagementexperten durchaus kontrovers diskutiert (siehe z.B. Forumsdiskussion auf dem BPM-Netzwerk). Fest steht jedoch, dass sich mit zunehmender Verbreitung von BPMN das Aufgabenspektrum des Prozessmodellierers wesentlich mehr in Richtung IT entwickelt. Je mehr der Prozessmodellierer jedoch zum Programmierer wird, desto weiter entfernt er sich von den Ansprüchen, die mit dem Malertyp verbunden sind (siehe hierzu meinen älteren Blogbeitrag BPMN 2.0 – Der richtige Umgang mit ersten Widerständen).
Ausgehend von diesen drei Typen werde ich in meinem nächsten Blogbeitrag über die Anforderungen an Prozessmodellierer schreiben. Auch werde ich der Frage nachgehen, wer denn nun modellieren soll, der Fachbereich oder der Spezialist.
Zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Blog-Sache: Nach gut einem Jahr bloggen möchte ich ein kleines Zwischenfazit ziehen. Ich habe viel positive Resonanz auf meine Posts bekommen, vielen Dank dafür. Leider nicht auf dem von mir gewünschten Weg als Kommentar direkt beim Artikel, also das liebe Leser kann noch besser werden. Viele wünschen sich häufigere Beiträge von mir. Ich selber habe gemerkt, dass ich doch lieber ein Thema umfassend behandele, dann werden die Artikel aber länger und brauchen auch ihre entsprechende Zeit. Für dieses Jahr nehme ich mir fest vor, alle zwei Wochen zu veröffentlichen, dann teile ich aber so Artikel wie jetzt der zum Prozessmodellierer in zwei, höchstens drei Teile auf.
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